Das Anzeigeverhalten von Opfern rechtswidriger Polizeigewalt

Zur Durchsetzung von polizeilichen Maßnahmen (z. B. Festnahme, Platzverweis ...) darf die Polizei unter bestimmten Voraussetzungen Gewalt einsetzen, aber nur, wenn dies unbedingt notwendig ist.
Das ist dann nicht der Fall, wenn die Polizei ihre Aufgaben auch ohne oder mit weniger körperlicher Gewalt erfüllen könnte.
Unmittelbarer Zwang
§ 1 (1) UZwG
Die Vollzugsbeamten des Bundes haben bei der in rechtmäßiger Ausübung ihres Dienstes zulässigen Anwendung unmittelbaren Zwanges nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu verfahren.
Körperverletzung im Amt
§ 340 (1) StGB
Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Das sind die Bundesgesetze, die die rechtmäßige polizeiliche Gewaltanwendung von unrechtmäßiger unterscheiden. Auf Länderebene regeln dies die Polizeigesetze. Die Polizei übt das Gewaltmonopol des Staates aus. Sie ist somit die Exekutive, deren Aufgabe es ist die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.
Die Polizei wendet täglich geschriebenes Recht in einer konkreten Situation an.
Die Rechtssetzung räumt ihr dabei einen Interpretationsspielraum ein.
Dieser Raum entsteht aus folgenden Gründen
Generalklausel
Bei manchen Gesetzen wurde bewusst darauf verzichtet, sie im Detail auszuführen. Dadurch kann der Gesetzesanwender (hier die Polizei) das Gesetz in der jeweiligen Situation sinngerecht auslegen und anwenden. Somit wird das Gesetz erst durch die Anwendung konkretisiert. Häufige Beispiele sind “wie Treu und Glauben es erfordern”, “gute Sitten” oder “die Eingriffsermächtigung zur Gefahrenabwehr” bei der Polizei.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Im Polizeirecht wird der Grundsatz zur Verhältnismäßigkeit aufgeführt. Das bedeutet, dass die Polizei geeignet, erforderlich und angemessen handeln muss. Sie soll die Maßnahme treffen, die am Wenigsten beeinträchtigt, nicht zum Nachteil führt und nur so lange, bis der Zweck erreicht ist. Im polizeilichen Bereich spricht man häufig vom “Interventionsminimum”, wann dieses aber erreicht wird, liegt im Ermessen der Polizei.
Ermessensspielraum
In einer Gefahrensituation hat die Polizei einen Ermessensspielraum. Zuerst darf sie entscheiden, ob sie überhaupt einschreitet und wenn sie einschreitet, mit welchen Maßnahmen und in welchem Umfang. Maßstäbe zum Ermessen sind unter anderem gesetzliche Zielvorstellungen, die Umstände und das Abwägen von öffentlichen und privaten Interessen.
Und dadurch entsteht zwangsläufig immer eine Lücke zwischen geschriebenem Gesetz und der realen Handlung. Dass es dabei auch zu Ermessensfehlern, also zum Fehlverhalten kommt, ist empirisch gesichert.
Im normalen Dienst wenden Polizeibeamt*innen tagtäglich unmittelbaren Zwang an und dabei wird die Grenze vom rechtmäßigen Exekutivhandeln und unrechtmäßigem Gewalteinsatz mitunter überschritten. Wann dieser Übergang passiert, ist schwer zu fassen. Jedenfalls liegt dann Körperverletzung im Amt vor.

Wie wird nun dieses Fehlverhalten sichtbar?
In den weit überwiegenden Fällen nur dann, wenn eine Anzeige erstattet wird. Die Fälle, die angezeigt werden, werden so den Ermittlungsbehörden bekannt und tauchen in der Statistik auf. Diese Fälle werden als Hellfeld bezeichnet.
Schauen wir uns also zuerst die bekannten Fälle an.
Nachdem man eine Anzeige erstattet, ermittelt die Polizei den Fall. Dann übergibt sie ihre Ergebnisse der Staatsanwaltschaft. Diese entscheidet, wie es mit dem Fall weitergeht. Sie kann Anklage erheben und ein Gerichtsverfahren eröffnen oder den Fall einstellen. Die Staatsanwaltschaftsstatistik erfasst diese Entscheidungen. Dies ist ein verkürzter Ablauf, der zur Orientierung dient:
Wie oft kommt es nach einer Anzeigeerstattung zur Anklage?
Anklagequoten im Vergleich aus der Staatsanwaltschaftsstatistik für abschließend erledigte Fälle im Jahr 2018
Körperverletzung im Amt
Bei 2 % der Fälle
Straftaten insgesamt
Bei 24 % der Fälle
Vorsätzliche Körperverletzung
Bei 21 % der Fälle
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
Bei 26 % der Fälle
Körperverletzung im Amt
Bei 2 % der Fälle
Vorsätzliche Körperverletzung
Bei 21 % der Fälle
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
Bei 26 % der Fälle
Straftaten insgesamt
Bei 24 % der Fälle
Wie genau werden Anzeigen von der Staatsanwaltschaft erledigt?
Die Erledigungsstruktur der Staatsanwaltschaftsstatistik im Detail
Anklageerhebung
Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts
Opportunitätseinstellung
Sonstige
Körperverletzung im Amt
2018 wurden 2020 Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt abschließend erledigt. 98 % wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt und in 1,98 % der Fälle kam es zu einer Anklage.
Straftaten insgesamt
Bei allen Straftaten gibt es hingegen eine Einstellungsquote von 64 % und die Anklagequote ist mit 24 % mehr als zehnmal höher.
Vorsätzliche Körperverletzung
Vorsätzliche Körperverletzung weist eine ähnliche Erledigungs­struktur wie die Gesamtstatistik auf – also mehr Anklagen und weniger Einstellungen als bei Körperverletzung im Amt.
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
Auch hier gibt es eine ähnliche Erledigungsstruktur wie bei der Gesamtstatistik und oft eine ähnliche Beweislage wie bei Körperverletzung im Amt: Aussage gegen Aussage.
Diese besondere Erledigungsstruktur macht es umso interessanter sich diesen Deliktsbereich anzuschauen.
Dies hat die Forschungsgruppe KviAPol der Ruhr-Universität Bochum getan.
Sie haben erstmals eine breite Untersuchung des Dunkelfelds zu unrechtmäßiger Polizeigewalt durchgeführt. Die Hauptthemen sind Viktimisierungsprozesse, das Anzeigeverhalten und die Dunkelfeldstruktur.
Im ersten Teil wurde eine Opferbefragung durchgeführt. Im Zwischenbericht sind 3374 Schilderungen ausgewertet von Menschen, denen ihrer Ansicht nach rechtswidrige Polizeigewalt widerfahren ist.
Übersicht über die berichteten Fälle
01/09
Übersicht
Dies ist eine Übersicht über die 3374 berichteten Fälle. Hier erkennt man, ob der Fall zur Anzeige gebracht worden ist, und wie dieser dann erledigt wurde.
Wie wurden die angezeigten Fälle in der Befragung im Vergleich zur Statistik erledigt?
Sowohl die Studie als auch die Statistik haben eine auffallend hohe Einstellungsquote und dementsprechend eine niedrige Anklagequote. Mit 7 % liegt die Anklagequote über der offiziellen Quote von 2 %.
Anklageerhebung
Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts
Opportunitätseinstellung
Sonstige
Hellfeld KviAPol
Das sind die Erledigungen von 326 Fällen (Die Fälle, bei denen das Strafverfahren bereits abgeschlossen war und angegeben worden ist, wie es erledigt wurde). In 7 % der Verfahren kam es zur Anklage bzw. zu einem Strafbefehl. In 69 % erfolgte die Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts und 6 % waren Opportunitätseinstellungen. Außerdem gab es 18 % sonstige Einstellungen, bei denen die Norm nicht bekannt ist.
Hellfeld Staatsanwaltschaftsstatistik
Das oben bereits gezeigte Hellfeld aus der Staatsanwaltschaftsstatistik. Die Anklagequote im Jahr 2018 betrug 1,98 % (40 Fälle). Im Vergleich zum Vorjahr(1,97 %) ist sie minimal gestiegen. In den Jahren davor war die Anklagequote dagegen gesunken (2016: 2,5 %; 2010: 3,15 %).
Schauen wir uns nun das Anzeigeverhalten an: Was waren die Beweggründe für oder gegen eine Anzeigeerstattung?
Damit ein Fall bekannt wird, hängt davon ab, ob ein Fall offiziell bekannt wird. Im Folgenden geht es um das Anzeigeverhalten der Betroffenen selbst, also warum diese sich nach dem geschilderten Vorfall für oder gegen eine Anzeige entschieden haben.
9 % der Studienteilnehmenden (n = 312) entschieden sich dafür, selbst oder über ihren Rechtsbeistand, eine Anzeige zu erstatten.
Gründe für eine Anzeigeerstattung
Auf einer Skala von 1–5 konnten die Anzeigeerstattenden angeben, wie zutreffend der jeweilige Grund für ihre Anzeigeerstattung war.
Skala
1: trifft überhaupt nicht zu, 2: trifft eher nicht zu, 3: trifft teilweise zu, 4: trifft eher zu, 5: trifft voll und ganz zu
G 01
Ich wollte, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert.
G 02
Ich wollte, dass der/die Täter/in bestraft wird.
G 03
Ich denke, dass Straftaten immer angezeigt werden sollten.
G 04
Ich hatte eindeutige Beweise für die Tat.
G 05
Ich habe angezeigt, weil die Tat schwerwiegende Folgen für mich hatte.
G 06
Mir wurde von meinem/r Rechtsanwalt/-anwältin zu einer Anzeige geraten.
G 07
Mir wurde aus dem privaten Umfeld zu einer Anzeige geraten.
G 08
Ich wollte Schmerzensgeld erhalten.
Die Reihenfolge der Gründe wurde aus dem Zwischenbericht vom 17. September 2019 übernommen.
Gesamt
Demonstration/ politische Aktion
Fußball/ andere Großveranstaltungen
Einsätze außerhalb Großveranstaltungen
radar-chart-gruende-fuer-anzeigeerstattung
Besonderheiten der Ergebnisse
Je nach Einsatzsituation waren die Gründe unterschiedlich ausschlaggebend für eine Anzeigeerstattung. Auf jeder Karte lassen sich die Abweichungen der Teilgruppen vom Gesamtmittelwert ablesen.

Die Mittelwerte wurden aus dem Zwischenbericht (S. 65) vom 17. September 2019 entnommen.
Am Häufigsten wurde der Wunsch nach Prävention und nach Bestrafung genannt. Unwichtig war hingegen ein finanzieller Ausgleich in Form von Schmerzensgeld.
Das Bedürfnis nach Bestrafung war bei Personen aus dem Bereich Fußball/ andere Großveranstaltungen etwas größer als bei den anderen Teilgruppen.
Als Beweise gab es am häufigsten Zeug*innenaussagen (74 %) und ärztliche Befunde (63 %). Außerdem gab es in einem erheblichen Teil der Fälle (48 %) auch Videomaterial: In 38 % der Fälle gab es private Aufnahmen, in 24 % Videoaufnahmen der Polizei, in vier Fällen existierten Aufnahmen aus einer Videoüberwachung im öffentlichen Raum (im Zug, Bahnhof, Stadion und durch Sicherheitsdienst) und jeweils einmal ein Internet- (YouTube) bzw. Pressevideo. Bei Einsätzen außerhalb von Großveranstaltungen gab es jedoch seltener Videomaterial
Bezüglich des vorliegenden Videomaterials merkten Betroffene in neun Fälle an, dass es nicht genutzt werden konnte: Sechs mal fehlte das Videomaterial der Polizei, weil es gelöscht wurde oder nicht auffindbar war, einmal war darauf nichts zu erkennen. Einmal wurde privates Videomaterial nicht zugelassen und ein anderes Mal wurden, die umstehenden Personen, die gefilmt hatten, von der Polizei aufgefordert, das Video zu löschen.
In 9 % der Fälle gab es keine Beweise und 3 % machten keine Angaben zu den Beweisen. In den Verfahren, in denen es zu einem Strafbefehl oder einer Verurteilung kam(11), gab es meistens sowohl Zeug*innenaussagen (82 %) als auch ärztliche Befunde (91 %). Auch lag  Videomaterial überdurchschnittlich oft vor (privates: 46 %; polizeiliches: 55 %).
Betroffene aus der dritten Teilgruppe haben häufiger mit der Begründung, dass sie die Folgen als schwerwiegend empfunden haben, Anzeige erstattet. Bei Demonstrationen und Fußballspielen war das seltener der Fall.
Es gab auch ein Freitextfeld, bei dem man weitere Gründe nennen konnte. Oft wurden general- und spezialpräventive Gründe aufgeführt, das heißt rechtswidrige Polizeigewalt im Allgemeinen oder konkret durch den*die angezeigte*n Beamt*in sollte in der Zukunft verhindert werden. Auch Gerechtigkeit herstellen wurde häufiger als Grund für eine Anzeige genannt. Einige gaben an, dass sie wegen der hohen Dunkelziffer wollten, dass ihr Fall in die offizielle Statistik eingehe. Bei Demonstrationen und Fußballspielen wurde auch die Entscheidung als Gruppe gemeinsam Anzeige zu erstatten als Grund genannt.
Gründe gegen eine Anzeigeerstattung
Haben Betroffene keine Anzeige erstattet, wurden sie wiederum nach ihren Gründen für die Entscheidung gegen eine Anzeige gefragt.
Skala
1: trifft überhaupt nicht zu, 2: trifft eher nicht zu, 3: trifft teilweise zu, 4: trifft eher zu, 5: trifft voll und ganz zu
G 01
Eine Anzeige hätte nichts gebracht, da Polizist/innen nichts zu befürchten haben.
G 02
Ich konnte den/die Täter/in nicht identifizieren.
G 03
Ich befürchtete, eine Gegenanzeige zu bekommen.
G 04
Ich dachte, ich kann die Tat nicht beweisen.
G 05
Eine andere Person hatte schon Anzeige erstattet.1
G 06
Ich dachte, dass mir keiner glaubt.
G 07
Ich möchte nichts mit staatlichen Behörden zu tun haben.
G 08
Der finanzielle oder zeitliche Aufwand war mir zu groß.
G 09
Ich hatte Angst vor der Polizei.
G 10
Mir wurde von einer Anzeige abgeraten.
G 11
Ich wollte nichts mehr mit der Sache zu tun haben.
G 12
Ich habe die Angelegenheit selbst bzw. mit der Hilfe von Familie und Freunden geregelt.
G 13
Ich habe die Tat als nicht so schlimm empfunden.
G 14
Ich wusste nicht, dass ich Anzeige erstatten kann, da ich die Gesetze nicht kenne.
G 15
Ich habe mich geschämt.
G 16
Die Polizei hat die Aufnahme meiner Anzeige verweigert.
G 17
Ich spreche nicht gut genug Deutsch.
1Nur von Personen beantwortet, in deren Fall ein Verfahren eingeleitet wurde, die aber selbst keine Anzeige erstattet haben, n = 108.
Die Reihenfolge der Gründe wurde aus dem Zwischenbericht vom 17. September 2019 übernommen.
Gesamt
Demonstration/ politische Aktion
Fußball/ andere Großveranstaltungen
Einsätze außerhalb Großveranstaltungen
radar-chart-gruende-gegen-anzeigeerstattung
Besonderheiten der Ergebnisse
Warum keine Anzeige erstattet worden ist, zeigt größere Unterschiede bei der Gewichtung auf, als bei denen, die eine Anzeige erstattet haben.

Die Mittelwerte wurden aus dem Zwischenbericht (S. 67) vom 17. September 2019 entnommen.
In allen Gruppen war der am häufigsten genannte Grund die angenommene Erfolglosigkeit, also die Überzeugung, dass Polizeibeamt*innen bei einer Strafanzeige nichts zu befürchten hätten.
Bei Demonstrationen/politischen Aktionen und Fußballspielen/andere Großveranstaltungen war die Nichtidentifizierbarkeit der Polizist*innen ein häufiger Grund, warum sie keine Anzeige erstattet haben. Tatsächlich wurden Ermittlungsverfahren in diesen Bereichen häufig auch aus diesem Grund eingestellt.
Weitere Gründe waren die Befürchtung eine Gegenanzeige zu erhalten und die Einschätzung, dass man die Tat nicht hätte beweisen können. Wobei die Gegenanzeige eine herausragende Rolle in der ersten Teilgruppe spielte, während die Sorge um die Beweislage relativ gleich eingeschätzt worden ist.
In den Fällen, in denen ein Verfahren eingeleitet worden ist ohne dass der Betroffene selbst eine Anzeige erstattet hat, war dies häufig auch der Grund für die eigene Nichtanzeige. Vor allem in der zweiten Teilgruppe kam es oft vor, dass schon jemand anders eine Anzeige erstattet hatte. (Dies haben nur Personen beantwortet, in deren Fall bereits ein Verfahren eingeleitet worden ist, ohne dass sie selbst Anzeige erstattet haben.)
Es war nicht selten, dass den Betroffenen von einer Anzeige abgeraten wurde. Meistens war das die Familie, Freund*innen oder Bekannte (62 %). Bei einem Drittel (35 %) riet ein*e Rechtsanwält*in von einer Anzeige ab und bei 17 % andere Beratungsstellen. 6 % nannten noch andere Personen wie Rechtshilfe- oder selbstorganisierte Gruppen, aber auch Ärzt*innen und Zeug*innen. Einige nannten aber auch die Medienberichterstattung und das Internet als Informationsquelle.
Diese Gründe waren für die dritte Teilgruppe wichtiger. Die Befürchtung, den Betroffenen werde nicht geglaubt und die Angst vor der Polizei war hier größer. Ihnen wurde häufiger von einer Anzeige abgeraten und sie wollten häufiger nichts mehr mit der Sache zu tun haben.
Diese Gründe spielten nur eine untergeordnete Rolle. Fehlende Sprachkenntnisse sind durch den geringen Anteil nicht-deutsch-sprachiger Personen in der Stichprobe zu erklären.
Sonstige Gründe waren die allgemein mangelnden Erfolgsaussichten. Einige wollten anonym bleiben oder befürchteten staatliche Repressionen und haben deshalb nicht offiziell angezeigt. Einzelne Betroffene nannten die zu hohe psychische Belastung, die generelle Ablehnung von Strafen und Strafverfolgung oder sie wählten Wege außerhalb der Strafjustiz wie (Dienstaufsichts-)Beschwerden, Verwaltungs- oder Zivilklagen.
Ausblick
Die dargestellten Informationen sind aus dem Zwischenbericht entnommen. Das ist der erste Projektteil des Forschungsprojekts KviAPol, das noch bis zum Jahr 2021 fortgesetzt wird. Bei den noch ausstehenden Analysen geht es um die Interaktionsprozesse, Eskalationsdynamiken und Diskriminierungserfahrungen und wie sich das auf das Anzeigeverhalten auswirkt.
Diese Analysen dienen als Basis für den zweiten Projektteil, der aus 60 Expert*inneninterviews besteht, um bestimmte Aspekte zu vertiefen, die durch die Betroffenenbefragung nicht ausreichend erfasst werden konnten. Zum Beispiel sollen die Interviews aus der Justiz ergänzende Erkenntnisse zur besonderen Erledigungspraxis liefern.